Erlebnisbericht über den Besuch im Chathura-Kinderheim
Teil 2 - von Anneliese Woll (Teil 1 finden Sie unter Dezember 2012)
Es ist jetzt Anfang Dezember 2012, die großen Schulferien haben begonnen und fröhliches Kinderlachen bestimmt den Tag.
Neben ausgelassenem Spielen steht aber auch in den Ferien Lernen auf dem Stundenplan. Es braucht viel Geduld und immer wieder gutes Zureden, damit die Kinder begreifen, dass Lernen keine Strafe für sie ist, sondern ihnen die Tür zu einem besseren Leben öffnen soll. Sie möchten viel lieber spielen.
Kalpani gibt sich große Mühe, um unsere Mädchen beim Lernen zu unterstützen. Immer wieder erklärt sie und korrigiert falsche Lösungen. Die Kinder sind dankbar, dass sich jemand Zeit für sie nimmt und freuen sich über jedes Erfolgserlebnis. Wir freuen uns mit ihnen, dass alle in die nächste Schulklasse versetzt wurden.
Die neuen Schulbücher und Hefte für das nächste Schuljahr werden in einfaches Packpapier eingebunden, danach mit ausgeschnittenen Blütenmotiven phantasievoll gestaltet und in Schönschrift beschriftet. Danach werden alle Bücher nochmals zum Schutz in Plastikfolie eingebunden. Nur selten wird dazu neue Folie verwendet. Vinitha sammelt das ganze Jahr über Verpackungsfolie, die dann zum Einbinden zugeschnitten wird. Fast alle Bücher sind gebraucht und werden an die jüngeren Schüler weitergegeben. Damit die Bücher auch für die nächsten Schüler noch brauchbar sind, achten alle Kinder darauf, dass sie sorgsam damit umgehen.
Computer-Unterricht macht unseren Großen viel Spaß. Die beiden gebrauchten Computer haben wir vor Jahren von einem anderen Kinderheim als Geschenk bekommen und sind leider sehr oft defekt.
Jedes Jahr im Dezember gibt es neue Schulschuhe. Da das Material sehr minderwertig ist, halten sie aber auch bei größter Sorgfalt nur höchstens ein Jahr. Überall kann man nur die gleichen Kunststoffschuhe kaufen, in denen die Kinder sehr schwitzen und die bei jeder Unachtsamkeit aufbrechen. Verständlich, dass die Kinder diese Schuhe so schnell wie möglich nach der Schule ausziehen und viel lieber barfuß laufen.
Die Ernährung im Chathura-Kinderheim soll für die Kinder gesund und ausgewogen sein. So gibt es bei uns meistens Vollkornreis und viel Gemüse mit Fisch oder Geflügel. Natürlich gibt es auch Kuchen, leckere Süßspeisen und viel Obst.
Inoka und Imasha pressen eingeweichtes Soja aus. Prashila und Devika zerstoßen getrocknete Mungbohnen zu Mehl. Die langen Holzstangen sind recht schwer und fallen mit lautem Knallen zurück in den Steinmörser. Dieses ungewöhnliche Küchengerät ist in unseren europäischen Küchen nur schwer vorstellbar. Ebenso der schwere Mahlstein, mit dem Gewürze zerquetscht werden. Gemüse, Hähnchenfleisch und Gewürze schmoren zu einem leckeren Gericht. Kokosnuss gehört zu jedem Essen und wird täglich frisch gerieben.
Wir kochen auf offenem Holzfeuer und teilweise auch mit Gas. Zum Kuchenbacken haben wir einen kleinen elektrischen Backofen.Inoka und Imasha pressen eingeweichtes Soja aus.
Vor jedem Essen wird an unserem kleinen Haustempel eine Opfergabe für Lord Buddha abgelegt.
Hier sprechen unsere Mädchen auch das Abendgebet.
Wir sind froh, dass unsere Betreuer erkannt haben, dass der Weg zu einem besseren Leben nicht einfach und bequem ist und nur unermüdliche Bemühungen letztendlich zum Erfolg führen.
Wir freuen uns mit unserer Sewwandi, dass sie für besonders gute Schulleistungen mehrfach ausgezeichnet wurde. Unsere Dilhani bekam als Solosängerin viel Beifall.
Anfang Dezember hat eine Mutter, auf Anordnung des Jugendamtes, ihre kleine Tochter Harshani bei uns abgegeben. Die Mutter hat acht Kinder, der Vater ist kürzlich an Krebs verstorben. Wie alt Harshani ist, weiß die Mutter nicht mehr genau. Schlimm...oder ? ...na ja, bei acht Kindern kann man schon mal den Überblick verlieren. Sie vermutete, dass sie fünf oder sechs Jahre alt ist. Jetzt ist eine Geburtsurkunde aufgetaucht, die besagt, dass Harshani bereits zehn Jahre alt ist. Harshani ist sehr klein und sieht eher wie fünf oder sechs aus. Die Familie ist mittellos und die Mutter hat bei verschiedenen Verwandten und Freunden einen Unterschlupf gesucht. Zur Schule ist Harshani nicht gegangen. Als das Kind zu uns kam, hatte es ein paar in Zeitungspapier gewickelte Kleidungsstücke dabei, doch die waren alle viel zu groß, schmutzig und abgetragen. Auch ein zerrissenes und noch feuchtes Handtuch war dabei. Alles war so lieblos, dass man recht gut sehen konnte, dass der Mutter nicht viel an ihrer kleinen Tochter liegt. Bereitwillig haben unsere kleineren Mädchen von ihrer Kleidung für Harshani was abgegeben. Selbstverständlich werden wir auch neue Kleider für das Kind kaufen.
Die Mutter hat Harshani zur Adoption freigegeben. Mittlerweile war bereits ein srilankisches Ehepaar hier, das mit Harshani gesprochen hat und sie gern adoptieren möchte. Auch für zwei weitere unserer Mädchen liegen Adoptionsanträge von srilankischen Ehepaaren vor. Die Bearbeitung dauert aber oft sehr lange.
Wie schwer es ist, Harshani, die mit zehn Jahren noch keinen Buchstaben oder eine Zahl schreiben kann und auch nicht will, dazu zu überreden es zu versuchen, konnte ich selbst sehen. Nur mit einer Süßigkeit als Belohnung, ließ sie sich endlich dazu bewegen.
Sie wird im Januar eingeschult und muss mit der 1. Klasse beginnen. Man kann sich gut vorstellen, dass die Lehrerin in der Schule nicht so viel Geduld haben wird und sie schon garnicht mit einer Süßigkeit belohnt. Die Hauptarbeit werden wohl unsere Betreuerinnen im Haus haben, damit Harshani dem Unterricht folgen kann.
Am 19. Dezember waren wir beim Eliya-Kinderheim in Tangalle zu einem Gegenbesuch eingeladen. Unsere Mädchen freuten sich über das Wiedersehen mit den Eliya-Jungs.
Die abendliche Heimfahrt entlang der Küste war sehr schön. Da wir diesen Monat sehr viele Reparaturkosten für unseren über zwanzig Jahre alten Van finanzieren mussten, können wir uns leider keine weiteren Ausflüge in diesen Ferien leisten. Die Kinder sind darüber aber nicht traurig, sie vertreiben sich die Zeit mit dem in Sri Lanka sehr beliebten Carrom-Spiel, malen mit Kreide Bilder auf unsere glatte Betonfläche im Hof.... oder genießen beim entspannten Nichtstun.
Viel Spaß haben unsere Kinder auch mit den riesengroßen, selbstgemachten Seifenblasen, die sie zu fangen versuchen.
Zwischen unseren beiden Häusern haben wir einen kleinen Seerosenteich mit einer Brücke angelegt. Die Kinder haben mitgeholfen die Pflanzen und Fische einzusetzen. Sie freuen sich über die Wasserspiele und suchen die Fische, die sich unter den Blättern verstecken. Große Aufregung herrschte eines Morgens, als einer der Fische aus dem Teich herausgesprungen war und glücklicherweise gleich entdeckt wurde. Behutsam wurde er wieder ins Wasser zurück gesetzt und schwamm munter weiter.
Die schlechte Dorfstraße zu unserem Kinderheim wurde Anfang 2012 durch das Road-Department erneuert.... nicht jedoch die kleine Brücke über den Bach. Dafür ist das River-Department zuständig. Da sich über Monate nichts tat, waren die Dorfbewohner von Mabotuwana es leid, noch länger zu warten. Sie haben alle zusammengelegt und die Betonierarbeiten selbst erledigt. Eine Eigeninitiative, die man sich bei uns kaum vorstellen kann.
Jetzt ist die Brücke wieder befahrbar und unsere Mädchen können wieder gefahrlos zum Schulbus gehen, der sie in die nahe Schule bringt.
Eine große Freude haben wir rechtzeitig zum Schulanfang unserer Nadika gemacht. Im Alter von einem Monat wurde ihre Kopfhaut durch offenes Feuer stark verbrannt. Monatelang wurden damals ihre starken Verbrennungen in einer Klinik behandelt. Leider wachsen ihr auf einer großen Fläche am Hinterkopf keine Haare. Nadika lebt seit Mitte November im Chathura-Kinderheim. Gleich haben wir versucht ein Haarteil für Nadika in Sri Lanka zu kaufen... leider haben wir nichts Brauchbares gefunden. Deshalb haben wir übers Internet eine schöne Perücke für sie bestellt. Da Nadika Anfang Januar ihren ersten Schultag an der neuen Schule hatte, wollten wir ihr Sticheleien der Mitschüler ersparen. Natürlich mussten wir zuerst mit dem Schulleiter sprechen, der aber gleich seine Zustimmung erteilte.
Meine drei Monate im Chathura-Kinderheim sind zu schnell vergangen.... nun heißt es schon wieder Abschied nehmen von meinen Mädchen und von Vinitha, Nitha und Kalpani. Zurück bleibt die Erinnerung an glückliche Kinder, die sich in unserem Kinderheim sehr wohlfühlen. Hier haben sie die Geborgenheit und liebevolle Zuwendung gefunden, die sie bisher so schmerzlich entbehren mussten.
Herzlichen Dank an Sie alle, die Sie auf vielfältige Weise dazu beigetragen haben, dass das Chathura-Kinderheim zur neuen Heimat für diese armen Kinder wurde und hoffentlich noch lange bleibt.
"Wenn einer allein träumt, bleibt es ein Traum, wenn viele gemeinsam träumen, ist es der Anfang einer neuen Wirklichkeit"
- Dom Helder Pessoa Camara -
bohoma stutiyi - vielen Dank
und
herzliche Grüße
Ihre
Anneliese Woll
1. Vorsitzende
Kinderhilfsprojekt Galle - Sri Lanka e.V.